Europaschule

Unsere viertägige Fahrt mit dem Projektkurs Geschichte vom 18.01. bis zum 21.01.2022 führte uns nach Oranienburg zur KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen. Hierbei wurde unsere Gruppe aus sieben Schülerinnen und Schülern von den Lehrkräften Herrn Schmidt und Herrn Schmieding begleitet.

Übernachtet haben wir in der Jugendherberge Sachsenhausen, der ehemaligen Dienstvilla des Inspekteurs der Konzentrationslager Theodor Eicke. Das heutige „Haus Szczypiorski“, welches nach dem polnischen Schriftsteller und ehemaligen Häftling des KZs, Andrzej Szczypiorski benannt wurde, liegt ca. zehn Minuten Fußweg von der eigentlichen Gedenkstätte entfernt, die wir an jedem Tag unseres Aufenthalts besuchten.

Bereits vor der anstehenden Exkursion hatte sich der Kurs umfangreich mit den wichtigsten Aspekten des Nationalsozialismus auseinandergesetzt, sodass alle Teilnehmenden gut auf die Fahrt vorbereitet waren und einen weitreichenden Einblick in diese Zeit hatten.

Sachsenhausen war eines der ersten systematisch geplanten Konzentrationslager des NS-Regimes und wurde unter anderem auch als Ausbildungsort für zukünftige KZ-Kommandanten und SS-Männer genutzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es von der sowjetischen Armee als sogenanntes „Speziallager“ vor allem für NS-Täter, aber auch für politische Gefangene, verwendet. Vor Ort setzten wir uns intensiv mit der NS-Vergangenheit, aber auch mit der grundsätzlichen Frage nach dem Umgang mit Geschichte auseinander.

Nach einer knapp sechsstündigen Zugfahrt über Berlin bis Oranienburg lief unsere Gruppe zuallererst zur Gedenkstätte. Dort wurden wir bereits von unserer Leiterin Susanne empfangen, die uns zum Einstieg erst einen kleinen Einblick in das Thema ermöglichte, indem sie uns damals gezeichnete Bilder von ehemaligen Häftlingen zeigte, die die Lagersituation gut widerspiegelten.

Torinschrift an Turm A

Anschließend erhielten wir noch eine Führung über das Gelände der Gedenkstätte. Nachdem wir das Tor mit der zynischen Aufschrift „Arbeit macht frei“ durchschritten hatten, wurden wir zum alten Appellplatz geleitet. Auf einem sehr holprigen Weg, den wir passierten – die gefürchtete “Schuhprüfstrecke” – mussten damals Gefangene barfuß Material für Soldatenschuhe einlaufen und testen. Hier verdeutlichten uns Berichte von Zeitzeugen eindrucksvoll die Umstände der Arbeit und des Alltags im Konzentrationslager.

Dann besichtigten wir zunächst verschiedene Funktionsgebäude und Baracken, wie beispielsweise die alte Wäscherei und die Pathologie und einige mehr, die alle in einer fächerförmigen Struktur innerhalb des dreieckigen Grundrisses aufgebaut sind. Aufgrund des kalten und windigen Wetters vor Ort und der anhaltenden Erschöpfung durch die Fahrt beschlossen wir uns auf den Weg zur Jugendherberge zu begeben und die ersten Eindrücke im Gemeinschaftsraum bereits ein wenig zu reflektieren und Pläne für die weiteren Tage zu besprechen.

Am nächsten Morgen überraschte uns beim Blick aus dem Fenster eine weiße Landschaft. Es hatte über Nacht etwas geschneit. Nach dem Frühstück liefen wir also durch leichten Pulverschnee erneut zur Gedenkstätte. Dort bearbeiteten wir zunächst im Gebäude der alten Wäscherei verschiedene Akten von Lagerinsassen. Wir beschäftigten uns mit „Opfer- und Täterbiographien“ und mit der Frage: „Was macht einen eigentlich zum Täter?“. Danach besichtigten wir die berüchtigte „Baracke 38“ im so genannten „kleinen Lager“, das 1938 speziell für jüdische Gefangene gebaut wurde. Dies ist eine der wenigen Baracken, die nach dem Krieg größtenteils originalgetreu wieder aufgebaut wurde.

Übersicht des Lagerkomplexes

Anordnung der ehemalige Baracken

Turm A von der Innenseite des Lagers

Die Baracke 38 war für weniger als 150 Häftlinge ausgelegt, es wurden dort jedoch teilweise mehr als 400 Insassen gleichzeitig untergebracht. Wir konnten uns die eintönig nebeneinander aufgestellten dreietagigen Hochbetten anschauen, die oftmals von je drei Personen auf einmal belegt wurden. Ebenso besichtigten wir dort die alten Waschräume und Toiletten, die von vielen Häftlingen gleichzeitig benutzt werden mussten, da sie vor dem Morgenappell insgesamt nur wenige Minuten Zeit hatten, sich für den langen Tag fertig zu machen.

Zudem besichtigten wir während der Führung noch die – ebenfalls zynisch benannte – „Station Z“, welche zur gezielten Massentötung von Häftlingen und Kriegsgefangenen genutzt wurde. Das häufigste Tötungsmittel dazu war die Genickschussanlage. Diese Erkenntnisse sorgten in der gesamten Gruppe für großes Entsetzen und warfen einige Fragen auf, wie Menschen in der Lage sein konnten, so etwas zu tun. Nach einer Mittagspause wurden wir zu einem alten Wachturm geführt, in dem wir uns mit einer Videoausstellung beschäftigten. Hier wurde zum Thema des Verhältnisses zwischen Stadt Oranienburg und Lager Sachsenhausen berichtet.

Abends entschied sich unsere Gruppe dann noch für einen Ausflug in die 30 km entfernte Hauptstadt Berlin. Dort besuchten wir das „Stelenfeld“, also das Holocaust-Denkmal für die ermordeten Juden Europas – zentral neben dem Brandenburger Tor gelegen. Zuletzt gingen wir nach einem kleinen Spaziergang noch etwas essen und kehrten mit der S-Bahn nunmehr müde in die Jugendherberge zurück.

Schlafraum in Baracke 38

Waschraum in Baracke 38

Den dritten Tag verbrachten wir größtenteils wieder auf dem Gelände der Gedenkstätte und guckten uns Ausstellungen an. Dieses Mal führte es uns in die Pathologie. Dort konnten wir uns über das Thema „Medizin und Verbrechen“ informieren. Die Ausstellung war für alle Anwesenden sehr interessant, aber auch schockierend zugleich. Wir erfuhren von durchaus häufig durchgeführten Menschenversuchen, wie beispielsweise mit Methamphetamin oder Senfgas und wie sehr die Betroffenen leiden mussten. Es gab dort ebenfalls einige Videos mit Zeitzeugen zu sehen, die über ihre Misshandlung berichteten. Zusätzlich hatten wir die Möglichkeit, uns das eigentliche Gebäude der Pathologie anzuschauen. Dort sahen wir unter anderem die Seziertische und auch den Leichenkeller. Hier wurden die toten Körper der Häftlinge aufeinandergestapelt gelagert und letztendlich zum Krematorium gebracht.

Nach der Mittagspause besuchten wir ein berüchtigtes Außenlager des KZ, in dem viele Häftlinge gezwungen waren, schwerste Arbeit zu verrichten, egal bei welchem Wetter. Uns führte es also zum „Klinkerwerk“, wo die Arbeiter Ziegelsteine produzieren mussten, eines der tödlichsten und gefürchtetsten Arbeits­kommandos. Die meisten Gefangenen starben allerdings beim Umbau des Werks, da es sich um eine Fehlplanung der SS handelte.

Projektarbeit am Abend

Abends legten wir in der Jugendherberge noch eine kleine Arbeitsphase ein, in der wir die Gelegenheit hatten, an unseren Projekten zu arbeiten und uns ein wenig zu ordnen. Etwas Ablenkung tat uns ganz gut. Anschließend kochten wir alle zusammen in der großen Küche der Jugendherberge unser selbst kreiertes Abendessen, saßen noch lange im Gemeinschaftsraum und spielten zahlreiche Gesellschaftsspiele.

Am letzten Tag unserer Exkursion hatten wir noch die Gelegenheit das Eingangsgebäude, den „Turm A“, zu besuchen. In diesem wachten die SS-Männer über das gesamte Gelände mit einem Maschinengewehr und erschossen im Zweifel diejenigen Häftlinge, die ihre Arbeit nicht pflichtgemäß erledigen konnten und versuchten zu fliehen. Aus dem Turm hatte man den Überblick über das gesamte, dreiecksförmige Gelände. Er „beherrscht“ so das gesamte Lager. Schlussendlich schauten wir uns im Turm noch eine letzte Ausstellung zu den SS-Tätern an und reisten nach einer Abschlussrunde am Mittag von Eindrücken überwältigt mit gemischten Gefühlen ab.

Täterperspektive von Turm A

Insgesamt waren die vier Tage wirklich sehr intensiv und bewegend, aber auch sehr informativ. Wir alle waren dankbar, diese Möglichkeit eines Besuchs der Gedenkstätte eines ehemaligen Konzentrationslagers wahrnehmen zu können und auch von gut ausgebildetem Personal, welches sich zuvor schon lange mit der Geschichte und den Ereignissen auseinandergesetzt hat, informiert zu werden. Es ist einfach ganz anders wirklich vor Ort zu sein und sich das Leid und die Lebensbedingungen der Häftlinge bildlich vorstellen zu können, da es die ganze Thematik emotionaler und greifbarer macht.

Dank dieser Exkursion ist unser Kurs um viele Erfahrungen reicher, die unvergesslich sind und uns noch lange beschäftigen werden.

Jule Isern (Jgst. 11)