Allgemein

Nachdem unser Schüler Tobias Willeé schon beim Bundes- und Landeswettbewerb philosophischer Essay einen großartigen zweiten Platz erreichte und sich damit für die Teilnahme an der Internationalen Philosophie Olympiade in Lissabon qualifizierte (wir berichteten), ist es Tobias tatsächlich gelungen, den philosophischen Olympiasieg im Essaywettbewerb zu erringen. Dabei setzte er sich gegen Konkurrenten aus 42 Ländern aus der ganzen Welt durch. Wir gratulieren und stehen staunend vor diesem außerordentlichen Erfolg. Wie Tobias selbst diesen unwirklich wirkenden Triumph erlebt hat, berichtet er in der Folge. Im Anschluss findet sich der internationale Sieger-Essay.

Dieses Jahr hatte ich aufgrund meiner Platzierung im Bundeswettbewerb Philosophischer Essay die Gelegenheit als Mitglied der deutschen Delegation an der Internationalen Philosophie Olympiade teilzunehmen. Die Olympiade fand dabei vom 26. bis zum 29. Mai in Lissabon statt. Offen gesagt wusste ich nicht, was mit der Reise nach Portugal auf mich zukommen würde, ich hatte nicht damit gerechnet, so weit zu kommen. In jedem Schuljahr der Oberstufe hatte ich immer einen Essay für den Wettbewerb eingereicht und es wäre falsche Bescheidenheit zu behaupten, ich hätte nicht auf irgendeinen Erfolg gehofft. Doch nicht in meinen kühnsten Träumen hätte ich ahnen können, dass ich damit jemals auf die internationale Ebene kommen würde.

Und dennoch machte ich mich am 26. Mai 2022 auf den Weg in eine mir unbekannte Stadt, in einem mir auch gänzlich unbekannten Land, mit Begleitern, die ich abgesehen von einer relativ kurzen E-Mail-Korrespondenz über die Logistik unserer Reise überhaupt nicht kannte. Doch das sollte sich schnell ändern. Schon bald lernte ich Patrick Seyfried, meinen Mistreiter und den Sieger auf Bundesebene sowie unsere Begleiter Herrn Dirk Pöppman und Herrn Dr. Gerd Gerhardt, den Gründer des Wettbewerbes auf nationaler und auf internationaler Ebene, kennen und schätzen. Dazu kamen auch noch 86 Schülerinnen und Schüler aus 42 Ländern auf der ganzen Welt. Ich hatte in den vier Tagen leider nicht die Zeit, um sie alle kennenzulernen, aber mit einigen konnte ich doch überwiegend in englischer Sprache ins Gespräch kommen. Natürlich wurde viel über Philosophie gesprochen und auch diskutiert, aber dabei wurde stets ein sehr freundschaftlicher und lockerer Ton gewahrt. Ich hatte dabei den Eindruck, dass wir einander in keiner Weise als Konkurrenten sahen. Tatsächlich nutzten wir jede zeitliche Verzögerung, jedes Warten auf den Bus, um uns weiter zu unterhalten, über Philosophie, über Politik, über unsere Heimatländer und sogar über die Feinheiten unseres regionalen Humors.

Der eigentliche Essay-Wettbewerb nahm dabei relativ wenig Zeit in Anspruch. Vor allem besuchten die Teilnehmer*innen eine Reihe höchst interessanter Vorlesungen mit anschließenden Fragerunden, welche sich neben den zentralen Fragen zum Thema „Identity&Person“ auch unter anderem mit den philosophischen Deutungen der internationalen Beziehungen und den Möglichkeiten von künstlicher Intelligenz befassten. Darüber hinaus hatten wir auch die Gelegenheit an einem Nachmittag den historischen Stadtkern von Lissabon zu besichtigen und so die außerordentliche Schönheit der portugiesischen Hauptstadt zu bewundern. Schließlich darf aber auch nicht der eigentliche Grund für das Zusammentreffen all dieser Teilnehmer in Lissabon unbehandelt bleiben. Am 27. Mai verfassten wir alle innerhalb von vier Stunden einen philosophischen Essay zu einem von vier vorgegebenen Zitaten. Meine Wahl fiel dabei auf ein Zitat von Hannah Arendt aus „Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen“. In diesem Zitat äußert sich die berühmte politische Theoretikerin kritisch zu der Vorstellung von kollektiver Schuld und kollektiver Unschuld. Ich habe dabei versucht, Arendts Äußerung aus den 60er Jahren mit den aktuellen Geschehnissen in der Ukraine in Verbindung zu bringen. Der Essay ist dabei in englischer Sprache verfasst worden, da die Teilnehmer*innen nicht in ihrer Muttersprache schreiben durften und kann auch hier auf der Schulwebsite nachgelesen werden.

Und tatsächlich war ich mit meinem Essay in diesem Wettbewerb erfolgreich. Mir wurde von der Jury eine der beiden diesjährigen Goldmedaillen verliehen, die andere ging an die italienische Schülerin Giulia Pession. Meinem Mitstreiter Patrick Seyfried gelang es außerdem, mit seinem Essay zum selben Thema auch eine Bronzemedaille zu erringen. Damit konnte die deutsche Delegation in diesem Jahr kollektiv ihr bisher bestes Ergebnis verzeichnen. Diese Auszeichnung war für mich eine Überraschung, um es milde auszudrücken. Mein Name wurde als letztes aufgerufen und der Gang zur Bühne kam mir wie eine Art surrealer Tagtraum vor. Diese Auszeichnung durch die IPO ist eine große Ehre und ich sehe es als meine Pflicht, hier auch nochmal denjenigen zu danken, die mich zu dieser Ehre gebracht haben. Ich bedanke mich bei meiner Familie, für die von ihr stets hochgehaltene Diskussionsfreude und Hingabe zur Vernunft. Ich bedanke mich bei meinen Freunden, dafür dass sie mir zahlreiche Einblicke in die verschiedensten Sichtweisen auf unsere Welt ermöglicht haben. Ich bedanke mich bei Herrn Wartberg, meinem Philosophielehrer, dessen Unterricht all meine Essays überhaupt erst möglich machte und auch bei Herrn Söhngen, der mich davor für die Philosophie begeisterte. Ohne all diese Menschen wäre ich nie nach Lissabon gekommen und wäre nicht mit einer Goldmedaille zurückgekommen, daher ist dies nicht nur mein Verdienst, sondern auch ihrer.

Nun rückt auch der Zeitpunkt immer näher, Abschied von dieser Schule zu nehmen. Daher möchte ich sagen, dass es mich sehr zufrieden macht, die Schule mit dieser letzten guten Nachricht verlassen zu können. Es war eine unvergleichliche Zeit und ich wünsche allen Schülerinnen und Schülern, ob gegenwärtig oder zukünftig, Freude am Lernen, am Grübeln und am Diskutieren.

Denn nur dadurch kann wahre Liebe zur Weisheit entwickelt werden.

Tobias Willeé